Prof. Tilo Wesche – Die Rechte der Natur – Vom nachhaltigen Eigentum
Die Stärke des Eigentumsrechts nutzen
In seinem Interview spricht sich Tilo Wesche dafür aus, die Rechte der Natur im Grundgesetz zu verankern und plädiert insbesondere für die Anerkennung von Eigentumsrechten der Natur. Er macht darauf aufmerksam, dass die Eigenrechte der Natur inzwischen weltweit für über 200 Ökosysteme weltweit anerkannt wurden und dass dieses Rechtskonstrukt inzwischen zum "normalen" Bestandteil von Rechtssystemen geworden ist. Die Rechte der Natur hält er für sehr geeignet, unser Naturverhältnis neu zu denken. Allerdings würden die Eigenrechte der Natur in vielen Regionen dieser Erde mit Verweis auf religiöse und spirituelle Ideen und Praktiken begründet. Solche Begründungen seien unserer Verfassung jedoch fremd. Er schlägt vor, bei der Begründung der Eigenrechte der Natur am Rechtskonstrukt "Recht auf Eigentum" anzuknüpfen, das in unserer Verfassung einen überragenden Stellenwert hat. Die Rechte der Natur an sich selber lassen sich seiner Meinung nach aus der inneren Logik der Eigentumsrechte selber begründen. Denn die Werttheorie des Eigentums, auf der unserer Verfassung sich beruft, geht davon aus, dass sich Eigentumsrechte aus der aktiven Rolle bei der Herstellung von Werten ableiten lassen. Da aber ohne den Beitrag der Natur (ihre ökosystemaren Dienstleistungen) keinerlei Wertschöpfung möglich ist, ist die Natur an der Wertschöpfung immer beteiligt und ihr stehen daher Eigentumsrechte an den Produkten zu - die in Kooperation mit dem Menschen - entstehen. Wesche argumentiert, dass diese Ableitung von Eigentumsrechten aus dem Beitrag zur Wertschöpfung im westlichen Denken so stark präsent und verankert ist, dass die Anerkennung von Eigentumsrechten der Natur mit unseren Instituten, Denken und Rechtswesen nicht nur kompatibel ist - sondern gerade zu einer inhärenten Notwendigkeit. Die Anerkennung dieser Eigentumsrechte der Natur an sich selber und in der Folge an den von ihr hervorgebrachten Gütern verpflichten zu der gleichen nachhaltigen Nutzung der Natur, wie sie unser Rechtssystem für die Behandlung jedwedes fremden Eigentums fordert. Eine Waldbesitzerin dürfe dann z.B. nicht mehr ihren Wald zerstören oder komplett fällen, sondern müsse sich so verhalten, dass das Ökosystem Wald sich immer wieder regenerieren kann. Wesche anerkannt durchaus, dass es auch moralisch-ethische oder ästhetische Argumente dafür gibt, der Natur einen Eigenwert zuzuerkennen. Um ein Zwangs-bewährtes Recht auf einen nachhaltigen Umgang mit der Natur durchzusetzen, sind seiner Einschätzung nach aber vor allem Eigentumsrechte der Natur geeignet. Denn kein Recht sei so stark und bis ins Detail durchsetzbar und geregelt, wie das Eigentumsrecht. Die starke Stellung des Eigentums werde in unserer Verfassung rechtsphilosophisch mit den Freiheitsrechten des Menschen begründet. Freiheit erfordere es, dass der Mensch die Möglichkeit habe, sich unabhängig von der Macht und dem Willen anderer, die lebensnotwendigen Güter zu beschaffen, die er brauche. Allerdings, so Wesche, werde die materielle Freiheit zur Selbstbestimmung heute überinterpretiert. Denn auch das Recht auf Eigentum und die Freiheit, mit diesem nach unserem freien Willen zu verfahren, habe Grenzen. Es begründet nicht die Freiheit, die Lebensgrundlagen zu zerstören. Denn diese missbräuchliche Deutung der Eigentumsrechte, sind ja, so Wesche, heute genau genommen das Hauptproblem und die zentrale Ursache für die ökologischen Krisen, in denen sich die Menschheit befindet. Am Ende des Interviews betont er noch einmal, dass er das Eigentumsrecht nicht für das einzig denkbare oder wünschenswerte Naturverhältnis halte. Es gebe, ganz im Gegenteil, viele Gründe, die Natur wertzuschätzen. Allerdings zögen die ethisch-moralisch-ästhetischen Aspekte im Konfliktfall vor Gericht immer den Kürzeren. Man müsse und könne das Institut des Eigentums mit "seinen eigenen Waffen" schlagen. Man müsse die Kraft des Eigentumsrechts, das in unserem Rechtssystem angelegt ist, für die sozial ökologische Transformation nutzen. Wesche kommt auch noch einmal auf den Fall des Mar Menor zurück, dessen Eigenrechte vom spanischen Parlament anerkannt wurde und wies darauf hin, dass alles, was rechtlich gesehen in einem EU-Mitgliedsstaat möglich sei, auch in allen anderen EU-Staaten möglich wird. Er empfiehlt der Klimaschutzbewegung, sich bei Protesten und Aktionen auf die Eigentumsrechte der Natur berufen. Denn es gebe kein Recht, dass so ausbuchstabiert wurde, wie das Eigentumsrecht. Dies müsse in Zukunft auch für die Eigentumsrechte der Natur von den Gerichten in Angriff genommen werden. Auf die Frage, was nun ganz praktisch zu tun sei, fordert Wesche: "Die Rechte der Natur müssen in die Verfassung aufgenommen werden. Das ist ein scharfes Schwert, ein erster wichtiger Schritt." Er sieht vor allem die Zivilgesellschaft in der Pflicht, über die Rechte der Natur zu informieren. Wesche: "Denn wie sonst kommen wir aus dieser Krise heraus?" Es gehe darum, von den vielen Beispielen, die es weltweit bereits gebe, zu lernen.