Buchbesprechung

Die Natur verhandelt nicht

Buchcover „Die Natur verhandelt nicht“ von Reinald Eichholz. Auf dem Cover: ein einzelner Baum unter dunklem, blaugrauem Himmel, das Buch liegt auf sandigem Untergrund mit grafischen Elementen, klarer Schattenwurf.

Erschienen im info3 Verlag, Frankfurt 2025, von Reinald Eichholz.

Rezension von Helmut Scheel

Dieses kleine Buch über ein großes und wichtiges Thema unserer Zeit trägt den Untertitel „Über Würde als Grundwert der Rechte des Menschen und der Natur“. Der promovierte Rechts- und Verwaltungspraktiker beschäftigt sich bereits seit geraumer Zeit mit dem Thema Natur und Recht. Dies ist auch die Perspektive, mit der er sich der Thematik der Würde der Natur nähert und im Buch darlegt.
In seinem ersten Teil, den er mit „Tatsachen“ überschreibt, begründet er anhand der Herausforderungen unserer Zeit, insbesondere der Umweltzerstörung, die allenthalben geforderte ökologische Transformation. In sogenannten Exkursen widmet er sich grundlegenden Aspekten unseres Rechtsverständnisses, um dafür die Handlungsoptionen zu erweitern. Diese auf den ersten Blick trockenen und „umwegigen Überlegungen sind für die ganz zu Anfang gestellte Frage, was das Recht für die ökologische Transformation leisten kann, entscheidend.“ Dies wird im Laufe des Buches deutlich.
Im zweiten Teil geht Eichholz auf den uns bekanntesten Zusammenhang von Würde und Recht ein: die Menschenwürde, die als Grundwert in der Präambel unseres Grundgesetzes jedem Menschen zugesprochen wird. Ein historischer Abriss verdeutlicht, was dies mit unserer Beziehung zur Natur zu tun hat. Die Menschenwürde zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch.
Im dritten Teil stehen natürliche Lebenszusammenhänge im Fokus. Vor diesem Hintergrund wendet sich Eichholz gegen den „Verlust des lebendigen Rechts“, durch den „der spirituelle Ausgangspunkt mehr und mehr verschwunden ist,“ der bei den indigenen Völkern bis heute lebt. Genau diese Lebenseinstellung könnte uns westlich geprägten Menschen wieder einen Zugang zur Natur vermitteln und Erkenntniszugänge zur Würde der Natur eröffnen. Bestätigt durch den Gefühlsbezug des Menschen zur Natur, der auch im Recht seine Bedeutung hat, rückt er auch die „Daseinswürde des Lebendigen“ als Grundwert des Rechts in den Mittelpunkt.
Der vierte Teil befasst sich mit den unterschiedlichen Bedeutungszusammenhängen der Würde. Der Autor schreibt: „Trotz der Gemeinsamkeit, in der alles Leben umfassenden ‚Daseinswürde‘ darf, der grundsätzliche Unterschied zur Menschenwürde nicht verschwimmen.“ Damit betont er die Einheit der Würde alles Daseins, aus dem sich die Menschenwürde indessen durch ihre Einzigartigkeit hervorhebe.
Die Würde im nachgeordneten Recht stellt den zentralen Punkt des fünften Teils dar. Aus ihr leiten sich ihre Grundrechte als Eigenrechte sowie Verhaltensmaßstäbe für in der Praxis anstehende Entscheidungen her.
Die letzten drei Teile befassen sich mit der Aufnahme der Rechte der Natur ins Grundgesetz. Hier werden verschiedene Vorschläge vorgestellt und abgewogen. Verschiedene Formulierungen werden erörtert, die das deutsche Grundgesetz befähigen würden, die Würde als Basis für ein besseres Miteinander in dieser Welt tauglich zu machen. Hierfür ist ein Klagerecht der Natur erforderlich. Die notwendige ökologische Transformation erfordert aber den Einsatz aller, dem die Politik durch klare Richtungsentscheidungen vorausgehen müsste. Der Verfasser schließt mit den Worten: „Den Verantwortlichen müsste man … ungeschönt vorhalten, dass Anmaßung, Untätigkeit und Gerede die eigene Würde verletzen, bezahlt mit dem Verlust politischer Glaubwürdigkeit – zum Schaden der Würde der Natur und einer gemeinsamen Zukunft. Einer ‚anständigen Gesellschaft‘ (Avishai Margalit) ist dies nicht würdig. Aktivistinnen und Aktivisten werden dem mit „aktiver Hoffnung“ begegnen… Die Natur selbst wird sie darin unerbittlich unterstützen, denn: die Natur verhandelt nicht.“
Mit diesem Buch präsentiert Reinald Eichholz eine neue Sichtweise auf die rechtliche Verknüpfung von Mensch und Natur, die für unsere Gesellschaft neu ist. Nicht das geschriebene Recht, sondern die Natur setzt durch die „Daseinswürde“ die Maßstäbe. Immer wieder wird an die Menschenwürde angeknüpft, um auch das Verständnis der Natur nachvollziehbar zu machen. Diese fundamentale Neuausrichtung des juristischen Umgangs mit unserer Mitwelt würde die Möglichkeit bieten, der ökologischen Transformation durch die Würde der Natur einen lebendigen, das Miteinander prägenden Untergrund zu verschaffen. Ob Wesche mit seinem Eigentumsansatz oder Kersten mit der Idee eines ökologischen Grundgesetzes – sie alle könnten in einem würdebasierten Naturverständnis eine gemeinsame Basis finden, die Basis für ein besseres Miteinander der Menschen mit ihrer natürlichen Umgebung, indem sich das Gefühl der Menschen mit dem Fühlen der Natur verschränken würde.
Es ist ein kleines Buch, dem ich eine große Wirkung wünsche. Es ist das Werk eines Juristen mit der Einladung zum juristischen Ganz-Sein.

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Christine Ax

+49 ​(0) 151 ​26691150

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