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Ecuador sagt Nein. Ein Votum für Demokratie, Natur und gesellschaftliche Selbstbestimmung

von Rita Hinterleitner

La Cumbre del Imbabura, ein 4640 Meter hoher Vulkan, mit der Flagge Ecuadors. Symbol für das klare Nein zur Verfassungsreform und den Schutz der Rechte der Natur. Foto: Sarah Allegaert, Unsplash

Ecuador hat am 16. November ein politisches Signal gesendet, das weit über die Landesgrenzen hinaus wirkt. In einem Referendum und einer Volksbefragung lehnte die Bevölkerung sämtliche vier Vorschläge der Regierung von Präsident Daniel Noboa ab. Besonders relevant war die vierte Frage nach der Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung, die die bisherige Verfassung vollständig hätte ersetzen können. Für die Rechte der Natur stand dabei sehr viel auf dem Spiel, da eine Neubewertung oder sogar Abschwächung der ökologischen Schutzbestimmungen möglich geworden wäre.

Ein klares Nein zur Verfassungsreform

Die Verfassung von 2008 machte Ecuador zum ersten Land der Welt, das der Natur eigene Rechte zusprach. Diese wegweisende Entscheidung markierte einen historischen Paradigmenwechsel: Zum ersten Mal wurde anerkannt, dass Flüsse, Wälder und Ökosysteme Träger eigener Rechte sind. Entstanden war dieses Kapitel in einem offen geführten und breit unterstützten Prozess, in dem indigene Weltanschauungen zentral waren. Die Konzepte von Pacha Mama, der Erde als lebendiger und zu respektierender Mutter, und Buen Vivir (sumak kawsay), einem Verständnis von Leben im sozialen und ökologischen Gleichgewicht, wurden zu tragenden Prinzipien des neuen Rechtsrahmens. Sie prägten die Idee eines Staates, der kollektives Wohlergehen und Harmonie mit der Natur als Grundlage seines Handelns versteht – und machten Ecuador international zu einem Referenzland für die Rechte der Natur.

Mit der geplanten Neuschreibung der Verfassung wäre all dies zur Disposition gestanden. Die Regierung hatte nicht klar kommuniziert, welche Prinzipien erhalten bleiben sollten. Gleichzeitig zeigte die Regierung in den vergangenen Monaten eine zunehmende Bereitschaft, Umwelt- und Menschenrechtsstandards systematisch auszuhöhlen und damit schwere Eingriffe in grundlegende Rechte von Menschen und Gemeinschaften in Kauf zu nehmen.

Die Frage zur Einleitung eines verfassungsgebenden Verfahrens stieß daher im Referendum auch auf die deutlichste Ablehnung: Nach bisherigem Stand lehnten 61,83 Prozent der Wählerinnen und Wähler diesen Vorschlag ab (die Auszählung läuft noch).

Wachsendes Misstrauen gegenüber politischen Manövern

Die deutliche Ablehnung bei der gesamten Abstimmung kann  auch vor dem Hintergrund zunehmender Zweifel an der Regierungspolitik zu verstehen sein:

  • Das Yasuní-Referendum von 2023, bei dem die Bevölkerung den Ausstieg aus der Ölförderung im Nationalpark beschloss, wurde bis heute nur teilweise umgesetzt. Das hat das Vertrauen in die Bereitschaft der Regierung, direkte Demokratie ernst zu nehmen, massiv geschwächt.
  • Dekret 60, das Umwelt- und Menschenrechtsinstitutionen den Ministerien für Rohstoffgewinnung und Sicherheit unterstellt, wird von zivilgesellschaftlichen Gruppen als Angriff auf notwendige Schutzmechanismen gewertet.
  • Ermittlungen und eingefrorene Konten gegen Aktivistinnen, Aktivisten und NGOs verstärken den Eindruck, dass oppositionelle und ökologische Bewegungen unter Druck gesetzt werden.

In diesem Klima erschien vielen die Möglichkeit einer neuen Verfassung als riskanter Versuch, politische Macht neu zu ordnen und demokratische Kontrollen zu schwächen. Die Ablehnung des Referendums zeigt, dass die Bevölkerung genau versteht, was auf dem Spiel steht: nicht nur institutionelle Strukturen, sondern das Selbstverständnis eines Landes, das sich einst als Vorreiter eines ökologischen und sozial gerechten Staatsmodells positionierte.

Ein Votum für eine Zukunft für Mensch und Natur

Mit ihrem klaren Nein haben die Wählerinnen und Wähler Folgendes zum Ausdruck gebracht:

  • Eine Verfassungsreform darf nicht ohne echte Beteiligung der Bevölkerung erfolgen.
  • Die Rechte der Natur und die Rechte indigener Völker sind grundlegende Werte und keine politische Verhandlungsmasse.
  • Direkte Demokratie muss respektiert und darf nicht selektiv angewendet werden.
  • Eine Regierung, die bestehende Volksentscheide ignoriert, erhält keinen Freibrief für tiefgreifende Veränderungen.

Präsident Noboa hat angekündigt, das Ergebnis zu akzeptieren. Entscheidend wird nun sein, ob er auch die bereits bestehenden demokratischen Entscheidungen vollständig umsetzt, insbesondere das Yasuní-Referendum.

Bestätigung für die globale Bewegung der Rechte der Natur

Für Bewegungen weltweit, die sich für die Rechte der Natur einsetzen, ist dieses Abstimmungsergebnis mehr als ein innenpolitischer Vorgang. Es zeigt, dass selbst in Zeiten wachsender Unsicherheit und autoritärer Tendenzen eine informierte Bevölkerung bereit ist, ökologische und demokratische Errungenschaften zu verteidigen.

Ecuador bleibt damit vorerst das wichtigste Beispiel dafür, wie die Rechte der Natur rechtlich verankert und gesellschaftlich geschützt werden können. Für das Netzwerk Rechte der Natur ist dieses Ergebnis ein Auftrag, die Debatte weiterzuführen, internationale Solidarität auszubauen und darauf hinzuweisen, wie eng Ökologie, Demokratie und Menschenrechte miteinander verbunden sind.


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