Buchbesprechung
„Brennende Erde“: Sunil Amrith fordert einen neuen Umgang mit der Natur
von Christine Ax

Amrith macht deutlich, in welchem Umfang und wie sehr der Mensch das Angesicht der Erde verändert hat – und wie der Wunsch nach Freiheit und Wohlstand mit der Zerstörung der Natur einherging. Der Autor betont: Das muss anders werden. Um eine gute Zukunft für alle Menschen zu ermöglichen, bedarf es einer umfassenden Transformation vieler Bereiche.
Er beantwortet nicht, ob dies noch möglich ist – die Geschichte wird es am Ende zeigen. Das Buch zeigt allerdings auch, wie schnell Veränderungen möglich sind – in alle Richtungen. Seiner Ansicht nach muss Folgendes geschehen: Ein grundlegendes Überdenken unseres Verhältnisses zur Natur ist unerlässlich.
Der Mensch muss die tiefe Abhängigkeit seines Wohlergehens von der Natur anerkennen und sich von der Vorstellung einer Trennung befreien. Die Phase des „Vergessens“ dieser Verbindung muss überwunden werden. Da gerade jene Länder und Bevölkerungsgruppen, die am wenigsten zur Umweltkrise beigetragen haben, am stärksten unter ihren Folgen leiden, ist Gerechtigkeit ein zentraler Pfeiler für eine gute Zukunft für alle.
Nachhaltige Praktiken sind in allen Bereichen notwendig – vom Übergang zu erneuerbaren Energien über veränderte Konsumgewohnheiten hin zu mehr Mäßigung bis zur Anwendung nachhaltiger landwirtschaftlicher und industrieller Methoden.
Kollektives Handeln hält Amrith auf allen Ebenen für entscheidend. Von lokalen Initiativen bis hin zu internationaler Zusammenarbeit müssen Koalitionen gebildet und das Engagement verstärkt werden. Der Kampf gegen Desinformation, insbesondere im Bereich Klimawandel, ist unerlässlich. Außerdem ist ein Bewusstseinswandel notwendig – eine tiefere Wertschätzung und Liebe für die Erde sowie die Anerkennung der Rechte der Natur. Diese Rechte können einen wichtigen Beitrag zur Lösung leisten.
Die Künste und das Geschichtenerzählen spielen hierbei eine zentrale Rolle – sie können andere Vorstellungen vom Zusammenleben mit der Natur vermitteln. Amrith zeigt, wie sich unser Verhältnis zur Natur von einer frühen Erkenntnis der Abhängigkeit zu einer Phase des „Vergessens“ und der rücksichtslosen Ausbeutung entwickelt hat.
Interessant ist seine Beobachtung, dass bereits die „Charter of the Forest“ von 1217 ein Bewusstsein für diese Problematik hatte – ebenso wie die Earth Charter von 2001. Beide Dokumente, durch Jahrhunderte getrennt, stellen die Frage, inwieweit unser Wohlergehen und unsere Freiheiten von der Natur abhängen. Die „Charter of the Forest“ betonte die Gewohnheitsrechte der Menschen und schuf zugleich das Rechtsinstitut des Eigentums an Wald. Die Earth Charter forderte angesichts von Umweltzerstörung und Artensterben eine neue Vision des Lebens auf der Erde.
Die Wohlstandsentwicklung der letzten Jahrhunderte beruhte auf Kolonialismus und Ausbeutung. Die asiatische, insbesondere chinesische, Wohlstandsentwicklung lockte europäische Händler und Abenteurer an – was zur Kolonisierung Amerikas und zur Suche nach Ressourcen führte. Es war ein Wendepunkt: Eine kleine Minderheit bekam einen unverhältnismäßig großen Einfluss auf die Transformation des Planeten – mit extremer Ausbeutung und Umweltzerstörung, die bis heute andauert.
Die industrielle Technologie und die Nutzung fossiler Energien im 19. Jahrhundert ließen die menschliche Fähigkeit zur Naturausbeutung und politischen Beherrschung anderer Menschen enorm anwachsen. Amrith betont, dass die Fähigkeit, Schaden und Gewalt zuzufügen, womöglich die „wichtigste technologische Innovation“ war – unterstützt durch tragbare Feuerwaffen, Dampfmaschine und später Individualverkehr.
Der Erste und Zweite Weltkrieg beschleunigten die Umweltzerstörung massiv: durch globale Ressourcenmobilisierung, enorme Zerstörungskraft und neue Umweltgefahren (z. B. Feuerstürme). Vor allem aber die „Große Beschleunigung“ nach dem Zweiten Weltkrieg veränderte das Antlitz der Erde grundlegend: Emissionen, Ressourcenverbrauch und Bevölkerung wuchsen rapide. Die Entwicklungsbemühungen im globalen Süden führten zwar zu wirtschaftlichem Wachstum, aber auch zu verheerenden Umweltkosten – etwa durch Entwaldung in Amazonien und Südostasien. Diese „Eile“ hatte auch die Entstehung neuer Krankheiten zur Folge.
Die 1970er- und 1980er-Jahre waren ein Wendepunkt: Die globale Umweltbewegung entstand, und lokale Proteste – etwa der Frauen in Indonesien gegen Marmorabbau – zeugen von wachsendem Widerstand gegen Umweltzerstörung und dem Einsatz für den Schutz lokaler Ökosysteme.
Heute stehen wir vor enormen Herausforderungen – und vor der Notwendigkeit, Gerechtigkeit walten zu lassen. Amrith beschreibt und kritisiert die Diskrepanz zwischen dem Ausmaß der Krise und der Wirksamkeit aktueller Maßnahmen. Neue Technologien wie KI könnten potenziell helfen, bergen aber auch Risiken: höheren Energieverbrauch und neue soziale Ungleichheiten.
Er fordert einen Bewusstseinswandel hin zu einer Haltung der Fürsorge und Vorsicht gegenüber der Natur. Dabei setzt er auf kulturelle und spirituelle Traditionen sowie auf eine tiefe Liebe zur Erde. Die „Eile“ des technischen Fortschritts hält er für gefährlich – gebraucht werden langfristige, nachhaltige Ansätze.
Ob eine gute Zukunft für alle noch möglich ist, bleibt offen. Die Überschreitung planetarer Grenzen stellt eine enorme Herausforderung dar. Dennoch zeigen Beispiele wie das Montreal-Protokoll oder lokale Erfolge: Kollektives Handeln kann Wirkung entfalten.
Amrith hofft, dass die Liebe vieler Menschen zur Erde der stärkste Antrieb für ihren Schutz wird. Es liegt nun an uns, diese Liebe zu mobilisieren und die notwendigen Veränderungen mit Dringlichkeit und Entschlossenheit anzugehen.
Ein Buch mit langem Atem – und deshalb so wichtig. Es zeigt, wie wir in die aktuelle Lage geraten sind, und macht auch Mut: Es gibt nicht nur negative, sondern auch positive Kipppunkte in der Geschichte. Die anwachsende Macht des Menschen, die der Natur so viel Schaden zugefügt hat, könnte auch zum Guten gewendet werden. Dafür braucht es ein neues Bewusstsein – und die Liebe zur Natur.
Da die weltweite Bewegung für die Rechte der Natur genau hier ansetzt, ist das Buch aus Sicht der Rezensentin ein starkes Plädoyer für die Rechte der Natur als Schlüsselprojekt der Gegenwart und Zukunft.
Über den Autor
Sunil Amrith ist Professor für Geschichte an der Yale Universität und unter anderem Fukuoka-Preisträger. „Brennende Erde“, sein jüngstes Buch, beschäftigt sich mit der Geschichte der Menschheit in den letzten 500 Jahren. Es ist bei C.H. Beck erschienen, kostet 34 € und ist fast 500 Seiten dick.
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