Nachruf

Eiskapelle am Watzmann eingestürzt – Nachruf auf ein Naturjuwel

von Helmut Scheel

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Helmut Scheel

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Die eingestürzte Eiskapelle am Watzmann: vereister Höhlenbereich am Fuß des Berges, Symbol für die Folgen des Klimawandels und die Dringlichkeit der Rechte der Natur. Quelle: Umkreisel-App auf Pixabay.

Am Felsenfuß des hohen Berges,
An steiler Flanke frost’gen Grund,
Da standest du, ein Kleinod du,
Und öffnetest den dunklen Schlund.

Gebaut warst aus gefror’nem Nass,
Ein Heiligtum der Gletscherkund,
Die Pilger strömten tausend Jahre,
An deinen weit geöffnet Mund.

Im Innern eine Atmosphäre,
Wie morgens zu der blauen Stund,
Du botest eine heil’ge Sphäre,
Verbandest Spitz gleich mit dem Rund.

Die Kräfte haben dich verlassen,
Die Haut von dir war lang schon wund,
Die Decke brach mit Donnergrollen,
Tage später kam die Kund.

Du bist nicht mehr – mein Juwel,
Du lebst noch in Archiven Fund,
Niemand wird dich mehr betreten,
Kein Freund, kein Jäger mit ’nem Hund.

So fließt du hin, wie all die Gletscher,
Von den Alpen bis hin zum Pol,
Du wirst zu Wasser, bald verschmutzet,
Ich sage dir: Ich leb’ nicht wohl.

 

Der berührende Nachruf von Helmut Scheel erinnert an die Eiskapelle am Watzmann, die durch ihren Einsturz endgültig verloren gegangen ist. Dieses Naturjuwel, über Jahrhunderte von Eis, Wasser und Stein geformt, stand für viele Menschen sinnbildlich für die Faszination und Verletzlichkeit alpiner Ökosysteme.

Ihr Verschwinden ist nicht nur ein landschaftlicher Verlust, sondern auch Ausdruck einer Entwicklung, die weltweit zu beobachten ist: Gletscher und Eisfelder ziehen sich durch den Klimawandel dramatisch zurück. Wissenschaftliche Studien belegen, dass die Alpen bis zum Ende des Jahrhunderts einen Großteil ihrer Gletscherfläche verlieren könnten – mit weitreichenden Folgen für Biodiversität, Wasserhaushalt und das kulturelle Gedächtnis ganzer Regionen.

Im Kontext der Rechte der Natur wird dieser Verlust noch deutlicher. Wäre die Eiskapelle als Rechtssubjekt anerkannt gewesen, hätte ihr Anspruch auf Erhalt und Schutz vor Zerstörung stärker berücksichtigt werden müssen. Natur wird in diesem Ansatz nicht länger als Objekt menschlicher Nutzung betrachtet, sondern als eigenständige Instanz mit Würde, Eigenwert und Rechten.

Der Nachruf mahnt uns deshalb, über ein neues Verhältnis zur Natur nachzudenken: nicht nur als Ressource, sondern als Partnerin, deren Stimme rechtlich Gehör finden muss. Die Anerkennung der Rechte der Natur könnte entscheidend sein, um künftige Verluste wie den Einsturz der Eiskapelle zu verhindern.

Watzmann - Eiskapelle

Die Eiskapelle am Watzmann ist Anfang September 2025 eingestürzt. Ausgelöst wurde der Kollaps vor allem durch die Folgen des Klimawandels: Über Jahre hinweg schmolz das Eis rapide, seit Ende 2019 gingen mehr als 575.000 Kubikmeter Firneis verloren. Hinzu kamen ungewöhnlich warme Sommer, schneearme Winter und starke Regenfälle, die das Eis zusätzlich geschwächt und letztlich den Einsturz verursacht haben.

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