Die Erde befindet sich in einer tiefen ökologischen Krise. Klimachaos, schwindende Wasserressourcen, das Artensterben und der Verlust der biologischen Vielfalt machen deutlich: Unser Verhältnis zur Natur steht an einem Wendepunkt. Immer mehr Menschen – allen voran indigene Gemeinschaften – betonen, dass wir die Natur nicht länger als Ressource für unseren Nutzen und Profit betrachten dürfen, sondern als das, was sie ist: die Quelle allen Lebens.
Die Global Alliance for the Rights of Nature (GARN) tritt auf der COP30 in Belém, Brasilien gemeinsam mit zahlreichen Organisationen und indigenen Vertreter*innen für ein grundlegendes Umdenken ein. Christian Cray vom Netzwerk Rechte der Natur e. V. ist vor Ort.
Vor Ort sind zahlreiche indigene Vertreter*innen aktiv, die ihre Perspektiven und ihr Wissen für die Rechte der Natur einbringen. Der Indigenous Council der Global Alliance for the Rights of Nature (GARN) fordert in seiner Deklaration, dass die Selbstbestimmung indigener Völker und die Rechte der Natur weltweit anerkannt werden. Indigene Gemeinschaften schützen rund 50 % des globalen Landes und 80 % der Biodiversität – sie stehen an vorderster Front im Schutz unseres Planeten. Ihre Stimmen zu schützen heißt, das Leben selbst zu schützen.
Drei Schwerpunkte von GARN auf der COP30
1. Rechte des Amazonas
Gemeinsam mit indigenen Gemeinschaften und zivilgesellschaftlichen Organisationen setzt sich GARN für die formale Anerkennung des Amazonas als rechtsfähiges Subjekt ein. Die im Juni 2024 auf dem XI. Pan-Amazonischen Sozialforum in Bolivien vorgestellte Erklärung der Rechte des Amazonas fordert, das größte tropische Ökosystem der Erde als Rechtsperson mit eigenen Ansprüchen auf Schutz, Regeneration und Erhalt anzuerkennen.
2. Rechte der Antarktis
Über die Arbeitsgruppe „Antarctica Rights“ tritt GARN für die internationale Anerkennung der Antarktis und des Südlichen Ozeans als schützenswerte Rechtssubjekte ein. Damit soll verhindert werden, dass diese letzten weitgehend unberührten Lebensräume durch geopolitische oder wirtschaftliche Interessen weiter gefährdet werden.
3. Keine Kommerzialisierung der Natur
Mit dem „White Paper on the Financialization of Nature“ fordert GARN eine klare Absage an marktorientierte Mechanismen wie Kohlenstoffmärkte oder Biodiversitätskredite, die Ökosysteme zu handelbaren Gütern reduzieren. Stattdessen setzt sich GARN für gemeinwohlorientierte, rechtlich verankerte Lösungen ein, die die ökologische Integrität und die Rechte lokaler Gemeinschaften schützen.
Rechte der Natur statt Finanzialisierung der Natur
Die Bewegung für die Rechte der Natur (Rights of Nature – RoN) basiert auf der Sichtweise, dass die Erde ein lebendiges Ganzes ist – eine Gemeinschaft miteinander verbundener und voneinander abhängiger Wesen, die eigene Rechte besitzen. Dies steht in scharfem Kontrast zu einer Wirtschaft, die die Natur als Rohstofflager, Handelsobjekt und Investitionsgut behandelt.
Immer häufiger wird versucht, den Schutz der Natur in marktwirtschaftliche Mechanismen einzubetten. Begriffe wie Carbon Trading, Biodiversitätskredite, Nature Bonds oder Wasserzertifikate stehen für ein Modell, das die Verantwortung für Ökosysteme von Gemeinschaften und Regierungen auf Kapitalmärkte überträgt. Diese sogenannte Finanzialisierung der Natur verspricht Schutz, führt jedoch zu einer neuen Form der Enteignung, Entfremdung und Kontrolle durch private Interessen.
GARN stellt klar:
Die Finanzialisierung der Natur ist kein Weg zur ökologischen Erneuerung, sondern ein gefährlicher Versuch, bestehende Macht- und Wirtschaftsstrukturen zu erhalten.
Mit der „Finanzialisierung der Natur“ (Financialization of Nature, FoN) werden Gemeingüter zu Finanzprodukten, Gemeinschaften entmachtet und Regierungen entlastet, während private Akteure Gewinne erzielen. Statt Natur in eine Ware zu verwandeln, fordert GARN eine rechtliche Anerkennung der Natur als eigenständige Rechtsperson, die unabhängig von Marktinteressen geschützt wird.
Die Rechte der Natur bieten hier eine klare Alternative:
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Sie verankern Verantwortung statt Profit.
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Sie ersetzen Marktlogik durch ethische Verpflichtung.
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Sie verbinden ökologische Integrität mit sozialer Gerechtigkeit.
Eine neue Grundlage globaler Umweltpolitik
Die Rechte der Natur eröffnen einen systemischen Ansatz für Klima- und Biodiversitätsschutz. Sie sehen Ökosysteme als lebendige Gemeinschaften mit eigenen Rechten auf Existenz, Regeneration und Schutz und den Menschen als Teil dieser Gemeinschaft, nicht als Herrscher über sie.
GARN fordert auf der COP30, die Rechte der Natur als verbindliche Grundlage globaler Umwelt- und Klimapolitik zu verankern – für eine gerechte, gemeinschaftliche und nachhaltige Zukunft.
Zahlreiche Veranstaltungen, Tribunale und Netzwerktreffen während der COP30 geben Raum für Austausch, Reflexion und neue Allianzen – darunter das 6. Internationale Tribunal der Rechte der Natur, das Indigenous Gathering sowie mehrere Side Events in der Blue Zone der UNFCCC COP30. (Weiter unten haben wir alle Termine als Überblick für Sie zusammengestellt)
Bedeutung der COP30 in Belém
Nach Jahren, in denen die UN-Klimakonferenzen in ölproduzierenden Staaten stattfanden, markiert die COP30 in Brasilien einen Wendepunkt. Als Amazonasstaat mit einer aktiven Zivilgesellschaft und Offenheit für ökologische Gerechtigkeit bietet Brasilien einen entscheidenden Raum, um die Rechte der Natur auf die internationale Agenda zu bringen.
Zwar existieren auf nationaler Ebene bislang keine umfassenden Regelungen zu den Rechten der Natur, doch das Interesse und die Unterstützung in Wissenschaft, Politik und Zivilgesellschaft nehmen deutlich zu.
GARN setzt damit ein klares Zeichen:
Der Schutz des Klimas und der Biodiversität erfordert einen Paradigmenwechsel – hin zu einer Rechtsordnung, die die Natur als eigenständigen Akteur anerkennt und den Profitgedanken durch die Verpflichtung zur Achtung des Lebens ersetzt.