Stellungnahme

Bürger:innen geben Rückenwind für die Rechte der Natur.

von Christine Ax

Referentenentwurf für das neue Umweltstrafrecht ist kein großer Schritt in die richtige Richtung 

Ein Vogel gleitet frei durch die Luft und steht sinnbildlich für den Rückenwind, den BürgerInnen in Deutschland den Rechten der Natur geben.

Eine aktuelle Umfrage des Naturschutzbund Deutschland e. V. (NABU) zeigt: Die Menschen in Deutschland wollen mehr als Lippenbekenntnisse – sie verlangen Handlung für die Natur. (Blog des NABU)

Laut der Befragung wurden deutschlandweit rund 5 000 Personen befragt (teilweise bis 10 000 bei ausgewählten Fragen). (Blog des NABU) Das Ergebnis: In allen Bundesländern – und unter den Wähler:innen aller Parteien – gibt es eine breite Zustimmung zur von der EU‑Wiederherstellungsverordnung („Law for Nature Restoration“) und zu konkreten Wiederherstellungsmaßnahmen. (Blog des NABU)

Diese Zahl spricht eine klare Sprache: Es ist nicht länger allein eine Frage von Kompromisslinien in Parlamenten oder Fachministerien – es ist eine gesellschaftliche Forderung. Für die Bewegung um die Netzwerk Rechte der Natur heißt das: Wir befinden uns nicht am Rand – wir stehen im Zentrum einer sich formierenden Mehrheit.

Dieses Ergebnis entkräftet die Legitimität aller politischen Versuche, die Verordnung zur Wiederherstellung der Natur zu verzögern, abzuschwächen oder gar abzuschaffen. Das würden dem deutlichen Willen der Bevölkerung entgegenlaufen laufen. (Blog des NABU)

Die starke Zustimmung über Parteigrenzen hinweg beweist, dass Naturrechte keine Nischen- Forderung sind, sondern zunehmend Teil des öffentlichen Konsenses werden – und damit nachhaltiger Boden für rechtliche, institutionelle und gesellschaftliche Transformation bieten. Umso bedauerlicher ist es, dass der inzwischen vorliegende Referentenentwurf für das neue Umweltstrafrecht hinter den Möglichkeiten zurückbleibt.

Was aber in gewisser Hinsicht, in der Natur der Sache liegt. Denn Strafrecht kann zwar abschrecken, aber es greift immer erst dann, wenn der Schaden eingetreten ist. So wichtig es ist Ecocide unter ein Strafmaß zu stellen, das abschreckt, muss es am Ende vor allem darum gehen, zu verhindern, dass dieser Fall eintritt. Denn: „Ausgestorben ist endgültig“. Und jeder Eingriff in die Evolution und in die Rechte der Natur ist nicht wirklich wieder gut zu machen.

Referentenentwurf neues Umweltstrafrecht: Ein Schritt in die richtige Richtung aber wichtige Chancen vertan

Die Umfrage wird von uns als legitimer Auftrag verstanden uns für die Anerkennung der Rechte der Natur einzusetzen. Vor diesem Hintergrund ist der aktuelle Referentenentwurf des neuen Umweltstrafrechtes von hoher Relevanz.

Das Netzwerk Rechte der Natur hat im Gespräch mit wichtigen PartnerInnen (Stop Ecocide, Rechte der Natur - das Volksbegehren) in diesen Tagen Stellung genommen und dargelegt, wo der Entwurf nicht ausreicht und wo nachgebessert werden sollte.

Wir begrüßen den Referentenentwurf zur Umsetzung der EU-Richtlinie 2024/1203 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt als wichtigen Schritt. Wir bedauern aber sehr, dass er hinter dem was möglich gewesen wäre, zurückbleibt und nicht in der Lage sein wird, das Recht der Natur auf Leben und das Recht künftiger Generationen auf eine gesunde Umwelt zu gewährleisten.

Was aber in gewisser Hinsicht, in der Natur der Sache liegt. Denn Strafrecht kann und sollte abschrecken, aber es greift erst, wenn der Schaden eingetreten ist. So wichtig es also ist Ecocide (und den Weg dorthin) unter ein Strafmaß zu stellen, das abschreckt, muss es am Ende vor allem darum gehen, zu verhindern, dass dieser Fall überhaupt erst eintritt.  Denn jeder Eingriff in die Rechte der Natur und in die Evolution ist nicht wieder rückgängig zu machen.

Der Entwurf modernisiert das Umweltstrafrecht, z.B. indem das Umweltstrafrecht erstmals Ökosysteme und deren Funktionsfähigkeit einführt, doch der Entwurf denkt, wie zu erwarten war, anthropozentrisch: Natur ist Objekt eigene Rechte auf Integrität und Regenerationsfähigkeit.

Wir setzen uns für eine fortschrittliche Weiterentwicklungen des Umweltstrafrechtes ein.

Wir schlagen vor, dass Schäden auch dann schon strafbar sind, wenn die natürliche Regenerationsfähigkeit eines Ökosystems durch menschliches Handeln langfristig beeinträchtigt wird – und zwar unabhängig von Gefahren für Menschen, Eigentum oder Sachen.

Da unser Recht heute immer nur Einzelhandlungen betrachtet, ist es besonders wichtig, dass das neue Umweltstrafrecht auch kumulative und langfristige Schäden – etwa Klimaeffekte, Moor- oder Waldzerstörung – zum Gegenstand hat und Beiträge zu Gesamtschäden zurechenbar macht.

Denn unser Problem sind die zahllosen und genehmigten Eingriffe in die Natur, die im Einklang mit geltendem Recht sind – Stichwort Verwaltungsakzessorietät. Denn so logisch es ist, dass Handlungen nicht sowohl genehmigt also auch strafbar sein können, so wichtig ist es, einen Weg zu finden, diesen Widerspruch materiell aufzulösen. Die Möglichkeit bereits erfolgte Genehmigungen widerrufen zu können ist daher wichtig.

„Verwaltungsakzessorietät“: Welche Probleme erzeugt sie?

Ein zentrales Defizit des deutschen Umweltstrafrechts – das auch der Entwurf fortschreibt – ist die Verwaltungsakzessorietät, das am Beispiel der Einbringung von Gülle hier erklärt werden soll: In Deutschland darf das Strafrecht nur eingreifen, wenn jemand etwas ohne Genehmigung tut. Dieses Prinzip heißt Verwaltungsakzessorietät. Was verwaltungsrechtlich erlaubt ist – also genehmigt oder durch Regeln gedeckt –, kann nicht strafbar sein. Ein Beispiel: Landwirtinnen und Landwirte dürfen ihre Felder düngen, um gute Erträge zu erzielen. Dafür gibt es Grenzwerte und Vorschriften. Solange sie sich daran halten, ist das rechtlich in Ordnung. Doch wenn viele Menschen gleichzeitig „ordnungsgemäß“ düngen, gelangt immer mehr Nitrat ins Grundwasser – bis dieses gefährlich belastet ist. Trotz der sichtbaren Umweltbelastung kann das Strafrecht hier nicht eingreifen, weil jede einzelne Düngung formal erlaubt war. Das führt dazu, dass systemische, kumulative Umweltzerstörung (etwa durch viele genehmigte Einzeltätigkeiten wie Düngemitteleinsatz, Flächenversiegelung oder Emissionen) nicht erfasst wird. Genehmigungen wirken wie ein „Schutzschild“ vor strafrechtlicher Verantwortung. Die Ankerkennung der Rechte der Natur könnte hier einen entscheidenden Unterschied machen: Die Verwaltung müsste die Rechte der Natur bei der Prüfung von Anträgen berücksichtigen und betroffene Ökosysteme könnten gegen drohenden oder bereits eingetretene Schäden klagen.

Beteiligungs- und Klagerechte im Namen der Natur

Wir schlagen außerdem vor, dass zivilgesellschaftliche Akteure auch im Strafverfahren aktiv werden dürfen: Durch Nebenklage, Strafantrag, Klageerzwingung, Akteneinsicht und Kostenerstattung. Denn: Wo kein Kläger auch kein Richter.

Dass Amtsträger ihrer wichtigen Prüf- und Vorsorgepflichten gerecht werden müssen und grobe Verletzungen dieser Pflicht geahndet werden können, ist auch wichtig.

Kurz: Der Entwurf erfüllt zwar die Mindestvorgaben der EU. Wie sehen aber nicht, das der ökologische Auftrag des Grundgesetzes, wie wir ihn verstehen, erfüllt wird. Wir brauchen ein Strafrecht, das Ökosysteme effizient als Lebensgrundlagen auch der eigenen Legitimität schützt und werden dies mit unseren Partnern bei Stop Ecocide und den großen Umweltverbänden weiter fordern.

 

 

Stellungnahme

Hier können Sie die Stellungnahme zum Referentenentwurf des Netzwerkes Rechte der Natur herunterladen. Verfasser: Hans Leo Bader (Systemische Rechtsentwicklung), Helmut Scheel, Sabina Rothe.

KONTAKT

VORSTÄNDIN NETZWERK RECHTE DER NATUR E.V

Christine Ax

+49 ​(0) 151 ​26691150

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