Rechte der Natur: Grundlagen und Kernprinzipien
Rametsteiner: „Je höher die Rechte im Rechtssystem angesiedelt sind, desto effektiver sind sie in der Umsetzung.“ Als Träger der Rechte kommen vor allem Ökosysteme in Frage und hier vor allem ihre Funktionsfähigkeit. Es gehe um die Wechselwirkungen in der Biosphäre, die Natur in ihrer Komplexität und den vielfältigen Beziehungen zwischen ihren Teilen.
Es gebe inzwischen in der Literatur einen weitreichenden Konsens, dass die getrennte Betrachtung von Menschen und Natur eine der Hauptursachen für viele Problemlagen weltweit sei. Die Rechte der Natur übernähmen die Funktion „kollektiver Rechte zum Schutz von Menschen und Natur“. Man könne die Rechte der Natur heute als „vierte Generation der Menschenrechte“ begreifen.
Die Debatte um Existenzrecht, Gedeihen und Wiederherstellung
Die Frage, wie genau die Rechte der Natur gefasst werden sollten, wird heute noch viel diskutiert. Im Zentrum stehen das Existenzrecht, das Recht darauf zu „gedeihen“ und das Recht auf Wiederherstellung.
Die Kritik, dass dies zu unbestimmt sei, teile sie nicht. Es gehe nicht um statische Beschreibungen, sondern um das Recht auf Entwicklung. Sie gehe davon aus, dass es genügend Indikatoren gebe, um dies praktikabel zu machen. Dem Recht auf Existenz stehe die Pflicht zur Erhaltung bzw. Wiederherstellung gegenüber.
Keine absoluten Rechte – aber harte rechtliche Konflikte
Die Rechte der Natur seien keine absoluten Rechte. Nach ihrer Einschätzung führten die Rechte der Natur zu keinem absoluten Nutzungsverbot. Eingriffe in die Rechte der Natur erforderten aber – wie Menschenrechte auch – in jedem Einzelfall eine Rechtfertigung. Dies führe zu harten, aber fairen Rechtskonflikten.
Letztlich würden die Menschenrechte – so Dr. Tina Rametsteiner – durch die Rechte der Natur in einen neuen Kontext gesetzt. Auch das spreche für die Anerkennung der Rechte der Natur auf Verfassungsebene.
Vertretung der Natur: Pluralistisch und unabhängig
Die Frage nach der Vertretung der Natur sei umstritten. Rametsteiner legte ihre Präferenz auf die Unabhängigkeit der Vertretung. Sie empfehle – wie Andreas Gutmann – eine Pluralisierung und halte das Beispiel Neuseeland für vorbildlich.
Die Durchsetzung der Rechte der Natur müsse in der Wiederherstellung münden und in der „Nicht-Wiederholung“. Auch das Strafrecht sei dann gefordert sowie Schadenersatzzahlungen.
Österreich: Gut aufgestellt – und doch voller Lücken
Kurz ging sie auch auf die Situation in Österreich ein, dessen Umweltrecht auf dem Papier gut aufgestellt sei. Ökosysteme sollten in einem guten Zustand sein, es gebe eine Wiederherstellungspflicht und Indikatoren. Österreich hat außerdem die Aarhus-Konvention anerkannt, bekenne sich zum Vorsorgeprinzip und habe auf Landesebene das Rechtsinstitut der Umweltanwaltschaft eingeführt, eine de-facto-Parteistellung der Natur. Dennoch gebe es sehr viele Lücken, eine Fragmentierung des Umwelt- und Naturschutzrechts und sehr viele Ausnahmen. So ziemlich alles könne am Ende ausnahmsweise erlaubt werden. Das sei selbst dann der Fall, wenn es dem Staatsziel Umweltschutz zuwiderlaufe. Ausschlaggebend für die Entscheidungen sei am Ende immer wieder die wirtschaftliche Zumutbarkeit.
Fazit Rametsteiner: Viel Potenzial – alles hängt an der Umsetzung
Die Rechte der Natur könnten alles in allem sowohl wirkungslos als auch sehr wirkungsvoll sein. Es komme auf die Umsetzung an. Richtig aufgehängt und umgesetzt hätten sie, so ihr Fazit, ein großes Verbesserungspotenzial.