Hamburg, 17. November 2025 Im Gästehaus der Universität Hamburg hat die Winter Stiftung zum dritten Mal ihre Auszeichnungen für wissenschaftliche Arbeiten im Bereich der Rechte der Natur verliehen. Stifter Dr. Georg Winter sowie zahlreiche Fachgäste aus Recht, Wissenschaft und Zivilgesellschaft nahmen an der feierlichen Veranstaltung teil.
Stiftungs-Vorstandsvorsitzender Prof. Dr. Ulrich Ramsauer betonte in seiner Begrüßung die Vision der Stiftung, Natur künftig als Rechtssubjekt sui generis im juristischen System zu verankern.
Hauptpreis für herausragende Dissertation
Die Auszeichnung in der Kategorie Dissertation ging an die Juristin Dr. Tina Rametsteiner (Universität Graz). Ihre an der Universität Wien eingereichte Doktorarbeit bietet einen umfassenden rechtsvergleichenden Überblick zu den Rechten der Natur am Beispiel von Flüssen und wurde von der Jury als „wissenschaftlich herausragend“ gewürdigt.
Rametsteiner zeigte in ihrem Vortrag, dass die Anerkennung der Natur als Rechtssubjekt – insbesondere auf Verfassungsebene – weltweit nachweislich zu einer wirksameren Durchsetzung ökologischer Interessen führt. Besonders betonte sie den Zusammenhang zwischen der Funktionsfähigkeit von Ökosystemen, effektiven Schutzmechanismen und der langfristigen Sicherung kollektiver Naturrechte.
Weitere Preise für Aufsätze
In der Kategorie Aufsätze wurden ausgezeichnet:
- Maria Ximeno González-Serrano für ihren Beitrag zu den Rechten des kolumbianischen Flusses Atrato.
- My Hanh Pham (Universität Erlangen) für ihren Aufsatz „Die Rechte der Natur. Zur ökologischen Eigenrechtsidee“, der das anthropozentrische Vorgehen des Europäischen Gerichtshofs kritisch analysiert.
- Dr. Felix Aiwanger (Max-Planck-Institut Hamburg) für seinen Aufsatz „Verträge mit der Natur“, der neue Modelle zur vertraglichen Gestaltung der Beziehung Mensch–Natur entwickelt.
Kontroverse Gegenrede von Prof. Moritz Reese
In seiner Gegenrede brachte Prof. Dr. Moritz Reese (Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung) juristische und politische Zweifel an der Anerkennung der Natur als Rechtssubjekt vor. Er plädierte dafür, bestehende Instrumente wie die EU-Wiederherstellungsrichtlinie konsequenter umzusetzen und neue Formen der Repräsentanz zu prüfen – ohne zwingend Eigenrechte der Natur zu schaffen.
Rametsteiner widersprach dieser Einschätzung ausdrücklich und verwies auf konkrete Fälle, in denen wirtschaftliche Interessen regelmäßig Vorrang vor Naturbelangen erhalten. Daher seien Eigenrechte ein notwendiger Schritt, um die Kluft zwischen Umweltrecht und Realität zu schließen.
Podium: „Wir haben kein Erkenntnis-, sondern ein Umsetzungsproblem“
In der anschließenden Podiumsdiskussion unter Leitung von Roda Verheyen (Rechtsanwältin) diskutierten Vertreter:innen aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft über die praktische Bedeutung der Rechte der Nature.
Beiträge von Dr. Felix Aiwanger, Dr. Peter Mohr (Netzwerk Rechte der Natur) und Malte Siegert (NABU Hamburg) hoben hervor, dass Gerichte in Deutschland häufig Eingriffe in die Natur ermöglichen – selbst dann, wenn sie ökologisch oder ökonomisch fragwürdig sind, wie beim Beispiel der Elbvertiefung.
Rechte der Natur als langfristiges Transformationsinstrument
Einigkeit bestand darin, dass Klimakrise und Artensterben sofortiges Handeln erfordern. Die Rechte der Natur seien zwar keine kurzfristige Lösung, aber ein mächtiges langfristiges Transformationswerkzeug, das Natur und Menschenrechte gemeinsam stärkt.
Zum Abschluss rief Prof. Ramsauer dazu auf, den gesellschaftlichen Dialog weiterzuführen:
„Das Sprechen, Forschen und Nachdenken über die Rechte der Natur verändert unser Verhältnis zur Natur. Das ist zwingend notwendig.“