Buchbesprechung

„Der Grund“ Die neuen Konflikte um unsere Böden – und wie sie gelöst werden können

von Helmut Scheel

Helmut Scheel liest das Buch „Der Grund“. Hintergrund: Schmetterling auf farbigem Hintergrund. In einer Gedankenblase neben ihm stehen zentrale Begriffe der Buchbesprechung: „Bodenlose …“, „Guter Vorfahre“, „Geerdete Gesellschaft“, „Rechte der Natur“.

Autorinnen: Tanja Busse und Christiane Grefe, Buchbesprechung von Helmut Scheel

Bereits die Benennung des ersten Kapitels des Buches „Bodenlos“ hat mich das Wort ergänzen lassen in „bodenlose Frechheit“. Es ist eine bodenlose Frechheit wie wir mit etwas Geschenktem umgehen, für das wir selbst nichts getan haben, uns aber von der Natur und den langen geologischen Prozessen zur Nutzung bereitet wurde. Darum geht es in dem Buch der beiden Autorinnen Tanja Busse und Christiane Grefe. Auf 240 Seiten gehen sie den zentralen Problemen auf den Grund des Bodens.

Einen Leitgedanken, welche die Grundintention der Autorinnen gut zusammenfasst und der ebenfalls gleich am Beginn des Werkes zu lesen ist, lautet: „Um ein guter Vorfahre zu sein, muss man guten Boden aufbauen“ und stammt von Robin Wall Kimmerer. Er sagt uns, dass wir nicht von heute aus nach vorne blicken sollen, sondern von der Zukunft her auf heute. Diese Herangehensweise erinnert an das Buch von Harald Welzer „Nachruf auf mich selbst“. Da gerade der Boden, von dem unsere Ernährung und damit unsere Existenz abhängt, sich nur langsam aufbaut und entsteht, ist diese Sichtweisenänderung von entscheidender Bedeutung.

Gerade der Klimawandel und die falsche Bodennutzung zerstören die lebenswichtigen Strukturen unter unseren Füssen. Dürren trocknen den Boden aus. Ausgetrocknete Böden werden vom Winde verweht. Starkregenereignisse spülen ihn in die Flüsse und später ins Meer. Chemischer Einsatz tötet den lebendigen Boden. Hinzu kommen neue Anforderungen unserer Zeit. Diese sind unter anderem Energiegewinnung mittels erneuerbarer Energie in Form von Windrädern und Freiflächensolaranalgen, Straßen, Infrastruktur allgemein und vieles mehr. Der Boden steht unter Druck, und das nicht nur durch die immer schwerer werdenden landwirtschaftlichen Maschinen.

Unsere Naturschutzgesetze greifen zu kurz. Letztlich bekommt die Natur bei unseren Raumplanungsverfahren nur, wenn überhaupt, eine Nebenrolle zugewiesen. Sie hat keine Stimme im Parlament und schon gar nicht bei Gericht, denn die Natur gilt nicht als juristische Rechtsperson. Hätte sie einen derartigen Status, könnte sie, die Natur aus sich heraus – vertreten von Menschen – selbst klagen. Da dies nicht der Fall ist, bleibt ihr nur eine Nebenrolle oder die eines Statisten übrig, den man wie eine Schachfigur im großen Spiel des Kapitals hin und herschieben kann.

Und dann kommt noch das Thema Eigentum. Wem gehört das Land? Heute ist Land und damit Grund und Boden zu einem rentablen Spekulationsobjekt geworden. Grund und Boden lässt sich im Prinzip nicht vermehren, außer man schüttet irgendwo in einem Gewässer Land auf, wie in den Golfstaaten. Doch, und diese Frage muss man sich stellen, was maßen wir Menschen uns an etwas unser Eigentum zu nennen, für das wir nichts getan haben? Thilo Wesche hat hierzu eine Monographie mit dem Titel „Die Rechte der Natur“ geschrieben. Und der Kampf um Land fungiert weltweit. Auch der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine kann damit zusammenhängen.

Doch wenn das Buch der beiden Autorinnen mit „Bodenlos“ begann, so leitet konsequenterweise „Land in Sicht“ als Kapitelüberschrift das Ende des Buches ein. In diesem vorletzten Kapitel dreht es sich um mehrfach nützliche Maßnahmen. Agroforst, Agri-PV, Schwammstädte und anderes sind fundamentale Ansätze die Hoffnung machen können.

Und das letzte Kapitel soll der Anfang der Zukunft als „Die geerdete Gesellschaft“ sein. Wenn wir den Boden zerstören, fehlt uns die Basis des Lebens, und damit auch des Wirtschaftens. Wir dürfen nicht mehr unbedacht auf dem Boden rumtrampeln, sondern müssen ihn wieder feinfühlig zwischen unseren Zehen spüren.

Dieses Buch lädt, auch durch seinen angenehm zugänglichen Schreibstil, dazu ein, unsere Beziehung zu dem, was uns Stabilität verleiht, neu zu entdecken. Zwei Frauen, und das hat auch im Sinne der Symbolkraft von „Mutter Erde“ Bedeutung, liefern mit ihren kompetenten Ausführungen ein fehlendes Bindeglied im Diskurs über unseren Umgang mit der Erde. Genau hier wird die Vielschichtigkeit des Wortes „Erde“ greifbar, als Boden, als Planet, als Ursprung. Wer dieses Buch liest, wird eingeladen, die eigene Beziehung zum Leben unter unseren Füßen zu überdenken und vielleicht wieder barfuß, mit Feingefühl und Respekt, auf dieser Erde zu gehen.

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